Leezenflow-Prototyp an der Promenade Münster

Leezenflow

Angenommen man fährt mit dem Fahrrad auf eine Ampel zu und weiß, wann sie umschaltet. So kann man seine Geschwindigkeit anpassen, um komfortabel und im „Flow“ bei Grün durchzufahren. Das ist die Idee hinter dem Grüne-Welle-Assistent Leezenflow: Auf einer digitalen Anzeige sieht man anhand des Farbverlaufs bereits mehrere Meter vor der nächsten Straßenkreuzung, wie lange die aktuelle Ampelphase noch andauert. Dadurch kann jede/r Radfahrer:in die Geschwindigkeit individuell anpassen und kommt flüssiger und sicherer ans Ziel. Der Leezenflow ist mit der jeweiligen Fahrradampel verbunden und ändert die Länge des Farbverlaufs dynamisch. Das System bietet nicht nur mehr Komfort, sondern führt im Idealfall zu weniger Rotlichtverstößen.

Farbverlauf des Leezenflow / Animation: © CC BY-NC-SA 4.0 Magdalena Schmitz & Leonie Winkelmann

 

Prototyp an Münsters Promenade

Seit dem 17. Mai 2021 wird der Prototyp Leezenflow an der Kreuzung Hörstertor auf Münsters Promenade getestet. Im Rahmen der Testphase führte das Institut für Verkehrswissenschaften der WWU Münster im Auftrag der Stadt Münster vom 17. Mai bis Mitte Juli 2021 eine wissenschaftliche Evaluation durch. Diese bestand aus einer Online-Bürger-Umfrage, an der 546 Personen teilgenommen haben, sowie Verkehrsbeobachtungen und -messungen vor Ort. Das Ziel der Untersuchung war, Aussagen darüber treffen zu können, inwiefern Leezenflow den Radverkehrsfluss verbessert, die Verkehrssicherheit nicht beeinträchtigt und die Radfahrer:innen mit dem Prototypen zufrieden sind.

Leezenflow an der Promenade in Münster

Leezenflow wird positiv bewertet – weitere Standorte beschlossen

Mittlerweile ist die Evaluation abgeschlossen und die Ergebnisse stehen im Ratsinformationssystem der Stadt zum Download zur Verfügung. Außerdem lassen sich die Rohdaten, die im Zuge der Evaluation erstellt wurden, über den Publikationsserver der WWU herunterladen. Insgesamt ist das Leezenflow-System positiv bewertet worden, so dass der Hauptausschuss der Stadt Münster im Februar 2022 beschlossen hat, die Leezenflow-Systeme vorrangig an den Velorouten und an den zukünftigen Hauptrouten zu installieren. Im Februar hat er die Verwaltung beauftragt, fachlich geeignete Standorte zu identifizieren und eine Einbindung der Umlandgemeinden zu prüfen. Diesem Auftrag ist die Verwaltung nachgekommen, am 11. Mai beschließt der Ausschuss für Verkehr und Mobilität zehn neue Standorte:

Leezenflow ist ein Smart City-Projekt

Das Leezenflow-System soll nicht nur den Verkehr voranbringen, sondern auch die digitale Stadtentwicklung. Es zeigt, wie aus einer Idee der Bürgerschaft eine Technik mit Freier Software wird, die bereits das Interesse anderer Kommunen geweckt hat. Die komplette Bauanleitung des Leezenflows ist im Internet frei verfügbar.

Die vom Hauptausschuss der Staddt Münster beschlossenen weiteren Standorte für das Leezenflow-System werden im Rahmen des Bundesförderprojektes Modellkommune Smart Cities demnächst umgesetzt.

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FAQs Leezenflow-Testphase

Wie funktioniert der Leezenflow?

Der Grüne-Welle-Assistent zeigt die Dauer der aktuellen Ampelphase an. Was bedeutet das? Die abnehmenden grünen und roten Farbverläufe zeigen die noch verbleibende Zeit bis zur nächsten Ampelphase an. So kann jede Radfahrerin und jeder Radfahrer sein Fahrverhalten individuell für eine komfortablere Fahrt anpassen.

Was bedeuten die Farben rot und grün? Was bedeutet der Farbverlauf?

Leezenflow ist ein Grüne-Welle-Assistent, der die aktuelle Ampelphase anzeigt: „Grün“ bedeutet, die Fahrradampel ist zurzeit grün. „Rot“ heißt, die Fahrradampel ist zurzeit rot. Das Farbfeld verändert sich dynamisch mit der Länge der Ampelphase. Ein volles Farbfeld „grün“ bedeutet also: Die Ampel ist gerade grün geworden. Ein kleiner Strich „grün“ bedeutet: Die Ampel wird bald rot. Der Farbverlauf nimmt entsprechend der Länge der aktuellen Ampelphase ab.

Wird meine Radfahr-Geschwindigkeit gemessen?

Nein, die Geschwindigkeit wird nicht erfasst. Das ist bei der Menge der Radfahrerinnen und Radfahrer dort auch technisch nur sehr schwierig (wenn überhaupt) machbar. Leezenflow hilt bei der individuellen Entscheidungsfindung: Ich weiß, wann die Ampel umspringt und kann selber entscheiden, ob ich noch kräftig in die Pedale trete oder doch lieber gemütlich die nächste Grünphase mitnehme.

Wie schnell muss ich fahren?

Leezenflow gibt nur Informationen darüber, wann die Ampel umschaltet. Mit dieser Information kann die Fahrtgeschwindigkeit individuell angepasst werden. Manche schaffen es noch bei Grün, wenn sie ordentlich in die Pedale treten, andere bleiben lieber entspannt und rollen gemütlich über die nächste Grünphase.

Warum werden keine Sekunden angezeigt?

Eine Visualisierung mit Sekundenanzeige liegt zuerst nahe. Aus folgenden zwei Hauptgründen haben wir uns in der Testphase dennoch dagegen entschieden:

1. Die Ampelschaltung ist dynamisch und teilweise nicht vorhersagbar. Zum Beispiel können Busse die Ampelschaltung beeinflussen. So kann es zu spontanen, nicht vorhersagbaren Änderungen in der Dauer der aktuellen Ampelphase kommen. Die Sekundenanzeige würde dann große Sprünge machen oder scheinbar stehen bleiben. Die aktuelle Visualisierung fängt diese Sprünge flexibel ab, mit dem Ziel, Radfahrerinnen und Radfahrer nicht zu verwirren.

2. Menschen haben sehr unterschiedliche Zeitwahrnehmungen. Unter anderem können wir objektiv gemessene Zeitspannen nicht verlässlich abschätzen (hier ein erster Einblick in die Wissenschaft der Zeitwahrnehmung und hier etwas mehr Details). Deswegen ist es fraglich, ob eine objektive Sekundenanzeige für Menschen tatsächlich eine kognitiv einfach verarbeitbare Visualisierung ist. Durch eine Sekundenanzeige auf dem Leezenflow befürchten wir deshalb, dass Radfahrerinnen und Radfahrer die begrenzte Ressource Aufmerksamkeit vermehrt auf das (nicht intuitive) Sekundenzählen verschieben anstatt sich auf den Verkehr zu konzentrieren.

Für alle, die trotzdem Sekunden zählen wollen, hier ein Tipp für die Umrechnung des Farbbalkens: Die Fahrradampel am Hörstertor zeigt ca. 45 Sekunden lang grün und ca. 40 Sekunden lang rot.

Wo finde ich den Quelltext?

Die komplette Bauanleitung des Leezenflows ist im Internet frei verfügbar zum (nicht-kommerziellen) Nachbau.

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Medienspiegel Leezenflow (Auswahl)

Preisverdächtig

Preisverleihung MSHACK20, Quelle: Sputnik GmbH

Leezenflow gewinnt den Zuschauerpreis beim Münsterhack 2019 und wird im September 2020 im Rahmen des MSHack 2020 mit dem Nachgeha(c)kt-Preis ausgezeichnet.

Bike-to-X-Kommunikation im Leezenflow

Damit die Idee Leezenflow in die Umsetzung kommt, kümmern sich bCyber GmbH in Kooperation mit Code for Münster um die Programmierung. Sie nutzen ein in der Ampeltechnik bereits vorhandenes Signal, um Informationen über die Ampelintervalle frühzeitig weiterzugeben. Diese Übertragungstechnik soll in den nächsten Jahren EU-weit in jeder Ampel verbaut sein, um Kommunikation zwischen Ampeln und Fahrzeugen zu ermöglichen. Andere Städte beginnen damit, diese Technik als sogenannte „Car-to-X-Kommunikation“ vor allem für den Pkw-Verkehr einzusetzen. In Münster möchte die Stabsstelle Smart City diese frühzeitig für den Radverkehr nutzbar machen und damit „Bike-to-X-Kommunikation“ schaffen. Somit kann das münstersche Smart City-Projekt Leezenflow der Grundstein für mögliche Folgeprojekte werden – wie zum Beispiel eine Grüne-Welle-App, die auf der gleichen Übertragungstechnik basiert.

Kollaboratives Projekt

Bei dem Projekt Leezenflow arbeitet die Stabsstelle Smart City Münster zusammen mit dem Amt für Mobilität und Tiefbau (Fachstelle Verkehrsmanagement und Smart Mobility), dem Stadtplanungsamt (Fachstelle Baudenkmalschutz und -pflege), der Fachhochschule Münster (Münster School of Design) sowie bCyber GmbH und Code for Münster.

Wussten Sie schon?

Leezenflow ist komplett zum Nachbauen veröffentlicht, inkl. Dokumentation und Evaluation: Die Idee Leezenflow stammt aus dem Münsterhack 2019 und wurde gemeinsam von Mitgliedern des Hackathon-Teams in Zusammenarbeit mit der Stadt Münster weiterentwickelt. Die Programmierung übernehmen die bCyber GmbH sowie Code for Münster. Das Design Leezenflow haben die beiden Studentinnen Magdalena Schmitz und Leonie Winkelmann im Rahmen ihrer Bachelorarbeit an der Fachhochschule Münster entwickelt. Im Rahmen des Bundesförderprojektes Modellkommune Smart Cities werden demnächst weitere Leezenflow Standorte umgesetzt.

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